Auch im Nordirak sind aufgrund der Maßnahmen gegen das Coronavirus derzeit keine gruppentherapeutischen Hilfen möglich. Zarok e.V. konzentriert sich deshalb aktuell auf aufsuchende therapeutischen Hilfen für IS-überlebende Jesidinnen und Jesiden in Sharya / Nordirak und Umgebung.
Flucht und Vertreibung, Gefangenschaft bei Terroristen des sogenannten "Islamischen Staates", Missbrauch, Gewalt, ständige Angst und der Verlust naher Angehöriger haben tiefe Spuren bei den betroffenen Frauen und Kindern hinterlassen.
Zarok e.V. und die Schweizer Organisation Khaima teilen sich die Kosten eines dreimonatigen Therapieprogrammes in Höhe von 4.500 Dollar. Dieses wird wieder von der bewährten Panaga Organization for education durchgeführt.
Die Organisation hat inzwischen erfolgreich mehrere familientherapeutische Programme für IS-Überlebende und ihre Angehörigen abgeschlossen. Zwei erfahrene therapeutische Fachkräfte, eine Psychotherapeutin und Psychotherapeut, sind seit April 2016 in dieser Arbeit aktiv. Sie suchen von Mai bis Juli 2020 Angehörige von sieben Familien zweimal wöchentlich auf. In den Haushalten leben zwischen vier und zwölf Familienmitglieder.
Zur Arbeit gehören ein stabiler Beziehungsaufbau, die Schaffung eines sicheren und Geborgenheit gebenden Umfeldes, psychosoziale Unterstützung, spieltherapeutische Maßnahmen, Familienberatung und Elemente der Traumatherapie. Die therapeutischen Maßnahmen finden sowohl im Einzelkontext als auch in kleinen Gruppen der Familienangehörigen statt.
Ergänzend gibt es Hilfe in Notfällen, Unterstützung bei Grundbedürfnissen und Heilbehandlungen sowie grundlegende Lernangebote zu Hygiene, Kinderpflege und -erziehung. Unterstützt wird auch die soziale Integration der Familien in den Stadtteil.
In einer dieser Familien lebt seit Februar 2020 die kleine M. Sie ist erst im Februar dieses Jahres aus der IS-Gefangenschaft zurückgekommen. Im August 2014 wurde sie gemeinsam mit ihren Eltern, ihrem Bruder und ihrem Großvater gefangen, damals war sie 5 Jahre alt. Ihr Vater und zwei Onkel sind vermisst, ihre Mutter und ihr Bruder wurden bei einem Luftangriff in Syrien getötet. Das Mädchen spricht kein Kurdisch mehr. Ihre Großmutter, vier Tanten und ein Onkel sind kurz nach ihrer Rückkehr nach Australien ausgewandert. M. ist jetzt in der 11köpfigen Familie ihres Onkels untergekommen.
Zu Beginn der Therapie spielte M. gar nicht mit anderen Kindern. Wenn sie überhaupt sprach, dann über ihre verstorbene Mutter. Inzwischen hat der zuständige Psychotherapeut der Panaga Organization for Education mit Hilfe spieltherapeutischer Maßnahmen eine erste Bindung aufgebaut. Anfangs hatte M. Angst vor ihm, inzwischen fühlt sie sich wohler. Sie hat sich in der vergangenen Wochen Schritt für Schritt in ihre neue Familie eingewöhnt. Wenn der Therapeut drei oder vier Tage nicht vorbeikommt, ruft sie inzwischen an und bittet ihn, sie zu besuchen. Er verständigt sich mit ihr in einer Mischung von arabisch und kurdisch und ermutigt sie, wieder kurdisch zu lernen. Sehr glücklich war M. darüber, dass sie ein paar neue Schuhe bekommen hat. Die Familie wurde beraten, wie sie bei der Traumabehandlung des Mädchens unterstützen kann und ermutigt, kurdisch mit M. zu sprechen. Die ersten Fortschritte in der „alten“ Muttersprache helfen M. inzwischen dabei, Kontakte zu Kindern in der Nachbarschaft aufzubauen. Weitere kleine Fortschritte bestehen auch darin, dass sie besser schläft und weniger Träume aus ihrer Vergangenheit hat.